Wenn Beeren, Kirschbäume oder Trauben im Sommer einen stechenden, säuerlich-gärigen Geruch verströmen, hat wohl die Japanische Kirschessigfliege zugeschlagen. In den meisten Gärten ist Drosophila suzukii, deren Larven die Früchte von Innen her zerfressen und faulig werden lassen, längst kein Neuling mehr sein. Auch an die Marmorierte Baumwanze, die sich im Sommer über unsere Früchte und Gemüse hermacht und uns im Winter auf der Suche nach einem warmen Unterschlupf auf die Pelle rückt, haben sich viele schon gewöhnt. Halyomorpha halys hat mit ihrer massiven Vermehrung in den letzten zehn Jahren derart für Aufregung gesorgt, dass in ihrem Schatten eine weitere Wanzenart fast unbemerkt zu uns eingewandert ist: die Grünen Reiswanze.
Die aus Ostafrika stammende Nezara viridula, die unserer heimischen Grünen Stinkwanze sehr ähnlich sieht, wurde erstmals anfangs der 1980er Jahre in Köln entdeckt. Von dort aus breitete sie sich rheinaufwärts Richtung Schweiz aus. Seit 2017 nimmt ihre Population hierzulande stark zu, wenn auch nicht in allen Regionen gleichermassen. Wie die meisten ihrer Verwandten, ernähren sich die Grüne Reiswanze und die Marmorierte Baumwanze von Pflanzensaft, sie zapfen mit ihrem Rüssel Blätter und Früchte an, was vor allem bei Letzteren unschöne Spuren hinterlässt und zu Qualitätseinbussen führt. Das Spektrum an Wirtspflanzen ist bei beiden Wanzenarten ähnlich und äusserst gross: von Obstbäumen, Reben und Beeren über diverse Gemüsearten wie Tomaten, Mangold, Bohnen, Gurken und Peperoni bis hin zu Ackerfrüchten wie Mais und Soja, aber auch Gehölze wie Hasel, Eschen oder Robinien. Eines dieser Gewächse suchen sich die Wanzenweibchen aus, um ihre Eier an einer Blattunterseite abzulegen. Die Nymphen, die daraus schlüpfen, verändern über fünf Entwicklungsstadien hinweg ihr Aussehen. Das macht ihre Bestimmung schwierig.
Jedes Jahr neue Insekten
Japanische Kirschessigfliege, Grüne Reiswanze und Marmorierte Baumwanze sind längst nicht die einzigen invasiven Schadinsekten, die sich bei uns breit gemacht haben. Manche gefährden vor allem unsere heimischen Ökosysteme, andere sind hauptsächlich eine Bedrohung für die Landwirtschaft. Im Hausgarten haben alle das Potenzial, Schäden anzurichten, wenn auch in geringerem Ausmass. Tomatengärtnerinnen sollten vor allem die Tomatenminierfliege Tuta absoluta und die Baumwoll-Kapseleule Helicoverpa armigera auf dem Schirm haben, Beeren- und Steinobstfreunde die Maulbeerschildlaus Pseudaulacaspis pentagona. Die Liste ist lang, und sie wird länger. «Jedes Jahr werden drei, vier neue eingeschleppte oder eingewanderte Insekten registriert, die Entwicklung ist sehr dynamisch», sagt Jürg Grunder, Experte für Pflanzenschutz an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die meisten dieser Exoten gelangen als blinde Passagiere beim Import von Waren zu uns. Noch überlebt nur ein kleiner Teil die hiesigen Umweltbedingungen. Aber durch den klimabedingten Temperaturanstieg – in der Schweiz ist es heute durchschnittlich 1,5 Grad wärmer als noch vor 1990, Tendenz steigend – schaffen es immer mehr gebietsfremde Arten, den Winter zu überstehen. Mangels natürlicher Feinde können sich die Exoten dann vermehren und längerfristig bei uns etablieren.
Nicht alle Neuankömmlinge sind gleich besorgniserregend. Die aus Nordamerika stammende Bläulingszikade Metcalfa pruinosa etwa, die sich hierzulande seit Anfang der 1990er Jahre im Tessin etabliert hat, scheint zumindest für die Landwirtschaft kein allzu grosses Schadenpotenzial zu haben. «Das grösste Problem bei Zikaden ist, dass gewisse Arten Träger von pathogenen Viren oder Bakterien sein können», erklärt Jürg Grunder. So wie etwa die Amerikanische Rebzikade Scaphoideus titanus, die im Tessin, der Genferseeregion oder im Wallis eine schwerwiegende, durch sogenannte Phytoplasmen (zellwandfreie Bakterien) hervorgerufene Rebenkrankheit verbreitet. «Im Garten sind die Zikaden vor allem lästig», sagt der Experte. «An den Blättern hinterlassen sie Saugspuren und Honigtau, der ein Nährboden für Pilze wie Russtau sein kann. Die Larven sondern zudem einen weissen Wachs ab. Pflanzen, die von Bläulingszikaden befallen sind, sehen nicht mehr schön aus, aber sie sterben in der Regel nicht ab.»
Ganz anders verhält es sich hingegen, wenn der gefürchtete Japankäfer zuschlägt. Dann bleibt von der Pflanze nämlich nicht mehr viel übrig. «So etwas Gefrässiges hab ich selten gesehen», sagt Jürg Grunder. «Auf dem Speiseplan von Popillia japonica stehen über 300 Pflanzenarten aus ganz unterschiedlichen Familien. Er kann sich von fast allem ernähren, was wir anbauen, genauso wie von diversen Zierpflanzen, Wildlumen und Waldbäumen.» Während die adulten Tiere sich in Scharen über Blätter, Blüten und Früchte hermachen und die Pflanze oberirdisch kahlfressen, richten die im Boden lebenden Larven unterirdisch Schaden an. «Sie ernähren sich von Wurzeln, bevorzugt von Gras- aber auch von Maiswurzeln.» Nicht einmal der Rasen ist also vor dem Japankäfer sicher.
2014 nach Europa, nach Norditalien, eingeschleppt, ist der asiatische Vielfrass mittlerweile auch in die Schweiz vorgestossen. 2017 wurden die ersten Exemplare in einem Rebberg im Tessin entdeckt. Auch wenn von ihm eine grosse Gefahr für die natürlichen Ökosysteme und die Landwirtschaft – und damit potenziell auch für den Gemüsegarten – ausgeht, besteht aktuell kein Grund zur Panik. Das Monitoring-Programm des Bundes, bestehend aus schweizweit rund 100 Fallen, weist nur für den Tessin lokale Populationen aus. «Im Rest der Schweiz gab es bisher nur Einzelfunde», sagt Jürg Grunder. «Wichtig ist, dass man einen Fund beim kantonalen Pflanzenschutzdienst meldet und die Käfer nach Möglichkeit durch Einsammeln oder mithilfe von Lockstofffallen einfängt.» Der trockene Sommer 2022 scheint die Situation zudem etwas entschärft zu haben. «Der Japankäfer ist offenbar nicht so gut damit zurecht gekommen, die Population in Norditalien ist leicht zurückgegangen», weiss Jürg Grunder. Man dürfe sich deshalb aber nicht in falscher Sicherheit wiegen. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich der Japankäfer in der ganzen Schweiz etabliert. Das Potenzial dazu hat er, denn die Bedingungen hierzulande sind ideal und von seiner Biologie her kann er auch strenge Winter überleben.»
Pilze, Fadenwürmer, Spürhunde
Anders als damals bei der Kirschessigfliege, der Marmorierten Baumwanze und der Grünen Reiswanze sind wir dem Japankäfer nicht nur beim Monitoring, sondern auch bei der Bekämpfung noch einen kleinen Schritt voraus. «An der Agroscope laufen beispielsweise Experimente mit pathogenen Pilzen, die die Larven sowie die adulten Japankäfer befallen und dahinraffen sollen», weiss Jürg Grunder. Er selbst forscht an einer Methode, um die Käferlarven mithilfe von Fadenwürmern, sogenannten Nematoden, zu tilgen. In Laborversuchen hat er verschiedene einheimische Nematoden auf die Larven angesetzt. Die vielversprechendsten Kandidaten plant er, demnächst in Freilandversuchen zu testen. Doch selbst wenn sich einer der Nematoden als geeignet herausstellen sollte, den Japankäferlarven den Garaus zu machen, ist das Problem noch nicht gelöst. «Um die Larven mit Nematoden zu bekämpfen, müssen wir wissen, wo sich die Larven befinden.» Auch dazu forscht Jürg Grunder. «Wir haben eine Reihe an Duftstoffen identifiziert, welche die Japankäferlarven absondern. Ziel ist es, Spürhunde auf diese spezifischen Duftstoffe zu konditionieren, damit sie die Larven im Boden anzeigen und wir dort dann gezielt die Nematoden einsetzen können.»
Auch bei der Bekämpfung der Marmorierten Baumwanze zeichnen sich Fortschritte ab. Nicht zuletzt, weil ihre natürliche Gegenspielerin, die Samuraiwespe, mittlerweile ebenfalls aus Asien in die Schweiz eingewandert ist. Noch wird das Potenzial der neuen Schlupfwespenart intensiv erforscht, die ersten Resultate lassen hoffen. Vor allem deshalb, weil die Samuraiwespe offenbar nicht nur die Gelege der Marmorierten Baumwanze, sondern auch jene der Grünen Reiswanze parasitiert. Da die Samuraiwespe als Nützling gegen die exotischen und gefrässigen Wanzen noch nicht zugelassen ist, bleibt Gemüsegärtner:innen vorerst nur das mühsame Absammeln der gefrässigen Wanzen oder das präventive Einnetzen gefährdeter Kulturen. Und die Hoffnung, dass die Samuraiwespe von allein den Weg in den Garten findet. Einem massenhaften Auftreten von Schadinsekten, einheimischen wie exotischen, lässt sich aber auch vorbeugen. «Zum einen mit möglichst naturnahen Bedingungen und einer grossen Vielfalt an Pflanzen und Strukturen. So fördern wir die Biodiversität und machen den Garten für Nützlinge attraktiv. Zum Beispiel für Raupenfliegen, welche die Grüne Reiswanze ebenfalls parasitieren können», erklärt Jürg Grunder. Zum anderen empfiehlt er, sich über Aussehen und Biologie der neuen Schadinsekten zu informieren. «Wenn man weiss, wann, wo und in welcher Form sie im Garten auftauchen könnten, kann man gezielt nach ihnen Ausschau halten, schneller eingreifen und den Fund im Fall von Quarantäneorganismen wie dem Japankäfer rechtzeitig melden.»